Juli Kagarlizki: Was ist Phantastik? (1974)

"Utopische beziehungsweise phantastische Literatur ... - was ist das überhaupt? ...
Juli Kagarlizki, Dozent für Literaturgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts an der Moskauer Theaterhochschule, Kenner der anglo-amerikanischen Science Fiction, für seine Monographie über Herbert G. Wells 1972 mit dem Pilgrim-Preis der Science Fiction Research Foundation ausgezeichnet, gibt auf diese Fragen eine Antwort - eine von mehreren möglichen. Die Materialfülle seiner Arbeit ist erstaunlich, der Problemreichtum nicht minder. Der Essay erschließt literaturwissenschaftliche und wissenschaftsgeschichtliche Entwicklungslinien, die für das Verständnis der utopischen Literatur unentbehrlich sind. Sein größter Vorzug jedoch liegt darin: Von ihm geht eine unwiderstehliche Anregung aus - zur Beschäftigung mit der Literatur, zur Diskussion, zum Nachdenken über den Menschen und seine Welt."
(aus dem Klappentext)

Nach Betrachtung einiger antiker Vorläufer sieht Kagarlizki den Beginn des Genres in der Renaissance / Aufklärung (Morus, Campanella, Godwin, Bacon, Rabelais, Swift, Voltaire, Rosseau). Einige wichtige Vorläufer wie z.B. Keplers "Somnium" übersieht er seltsamerweise ... Überhaupt stützt sich der Essay bis auf wenige Ausnahmen v.a. auf - für die 70er Jahre - zeitgenössische englische und amerikanische Autoren. Das gibt dem Werk eine gewisse Enge, ist thematisch aber recht vielfältig und macht große Lust auf die Lektüre der angeführten Werke: Was in den siebziger Jahren für viele Sowjet- oder DDR-Bürger unerreichbar war, kann man jetzt immerhin problemlos erwerben! Witzig: Nach über 300 Seiten begeisterten Fabulierens über v.a. anglo-amerikanische Gedankenexperimente schließt Kagarlizki das Werk natürlich mit dem Ausblick auf eine kommunistische Zukunft ab - m.E. ziemlich abrupt, lustlos runtergerotzt auf knapp 2 Seiten.
Auch für mich erstaunlich: Im letzten Kapitel geht es um diverse Gefahren, die sich aus einer utopischen "Wohlstandsgesellschaft" ergeben können. Diese Fragen und Probleme sind uns auch heute nicht fern ...